21. Ein guter Tag!

Samstag, 22.06.2019 / Åndalsnes – Trollveggen –Stabkirche Stordal – Ålesund

Gefahrene km: 172
Übernachtung: Stellplatz Ålesund 0 €

Gestern, kurz vor Åndalsnes killt ein unachtsamer Wohnmobilfahrer Egberts Seitenspiegel. Während wir die Splitter vom Boden einsammeln und die Daten austauschen, hält ein Norweger an – erklärt mir, dass gleich in Åndalsnes, also 6 km weiter, ein großer Wohnmobilhändler sei, der uns weiterhelfen könnte – steigt ein und fährt weiter. Und recht hat er!

Kroker Caravan Details AS Åndalsnes

Es ist Freitag, 16:00 als wir das Geschäft betreten. Bevor Egbert noch seine Wünsche in Englisch formuliert, erklärt uns der freundliche Geschäftsführer nach einem kurzen Blick auf unser Womo: „Ach ihr braucht einen neuen Seitenspiegel! Kommt morgen um 10:00 hierher, ich habe zwar frei, aber meine Mitarbeiter werden sich darum kümmern. In unserer Werkstatt, 100 m weiter, wird man ihn montieren.“

Gibt’s das, dass am Samstag so etwas erledigt wird? Da Egbert dem ganzen nicht traut, klebt er sorgfältig die kümmerlichen Reste zusammen, denn man weiß ja nie!

Um punkt 10:00 stehen wir vor dem Geschäft. Wer steigt vor unserer Nase aus, der freundliche Geschäftsführer. Ja er hat heute frei, aber für uns ist er hergekommen. Mit einem großen Paket steigt er wieder in sein Auto und sagt, wir sollen ihm folgen. 100 Meter weiter öffnet er eine große Garagentüre, wir fahren hinein, er geleitet uns in einen Raum, wo wir warten sollen, denn in der Werkstatt dürfen sich nur die Mitarbeiter aufhalten. Hier gibt es Kaffee, Fernsehen; ich setze mich mit dem Laptop auf die Bank und beginne am Blog weiterzuschreiben. Nach einer halben Stunde öffnet sich die Türe und ein Mitarbeiter meint, der Wagen sei fertig. Wir gehen in die Werkstatt, unser Womo hat einen funkelnagelneuen Seitenspiegel. Für die Versicherung bekommen wir den kaputten in die Hand gedrückt, fahren zurück zum Geschäft, bezahlen an der Kassa mit 10% Nachlass und schon können wir unsere Fahrt fortsetzen.

Dieses Service hat uns wirklich verblüfft, echt freundlich und hilfsbereit diese Norweger!

Wir steuern unser nächstes Ziel an, den Trollveggen. Vor uns ragt eine massive steile Felswand in den Nebel. Sie ist 1.800 m hoch und DAS Eldorado für Kletterer. Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Wirklich imposant, aber der alte restaurierte VW Käfer hat auch seinen Reiz und erst recht der Riesentroll, der mir entgegen grinst.

Der Trollveggen:

Uns fröstelt, also schnell wieder ins warme Womo und das neue Ziel ins Navi eingetippt, die Rosenkirche von Stordal, ein ganz besonderes Kleinod. 1432 wird sie das erste Mal in einem Grundbuch erwähnt, aber die Säulen sind 1.000 Jahre alt und stammen einer Stabkirche, die vorher hier stand. Um 1770 erwarben die Bauern von Stordal diese Kirche zu gleichen Anteilen und jeder erhielt seine eigene Sitzreihe, mit Türe und Namen versehen. Natürlich sitzen Männer und Frauen getrennt, die Frauen links und die Männer rechts. Oben auf der Decke ist bei der Frauenseite ein Gesicht aufgemalt, denn Frauen muss man ja „bewachen“! Bei den Männern fehlt dieses Gesicht, denn die ….! Die Fotos dazu findet ihr unten in der Galerie.

Ganz hinten sind auf jeder Seite drei ganz schmale offene Reihen – hier saßen die Armen. Um 1800 wurde die Kirche bei einem Umbau komplett ausgemalt. Wir lassen unseren Blick schweifen und die Kameras klicken mit.

Gleich daneben befindet sich ein uraltes Holzhaus. Innen kann man sehen, wie die Menschen vor 200 Jahren gelebt haben.

Die Rosenkirche von Stordal:

Plötzlich spricht uns eine Norwegerin in lupenreinen Deutsch an, denn sie ist vor 2 ½ Jahren von Deutschland nach Norwegen gezogen und wohnt jetzt in Ålesund, unserem heutigen Ziel. Sie kommt ins Schwärmen über Norwegen, dass sie so glücklich sei, hier zu sein, weil Norwegen ein wunderbares Land zum Wohnen und Arbeiten ist. Auf unseren Einwand über das hier herrschende Wetter meint sie, laut Norweger gibt es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Na, da ist was dran! Dann fragen wir ein bisschen über die hiesigen Gepflogenheiten und sie erzählt uns. In Norwegen arbeiten beide Eltern und die Kinder sind ab dem zweiten Lebensjahr im Kindergarten und danach in der Ganztagsschule, aber zwischen 16:00/17:00 kommen alle nach Hause und dann wird gemeinsam gegessen. Die Norweger sind sehr gesellig und gastfreundlich. Man lädt einander zum Essen ein und jeder hat immer genügend Vorräte zu Hause. Die Mehrwertsteuer ist mit 24% recht hoch, dafür wird das Gehalt mit einer Art Flatrate von ca. 30% besteuert und das Gesundheitswesen ist für alle gleich, jeder zahlt einen Selbstbehalt von ca. 35 € pro Arztbesuch, aber bei 300 € jährlich ist Schluss, ab da ist alles gratis. Der Unterschied von arm und reich ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, denn alle können von ihrem Verdienst gut leben. Und was sie am meisten hier fasziniert, ist der Umgang miteinander, alle sind freundlich und hilfsbereit. So etwas kennt sie aus Deutschland nicht. Hier läuft alles ein bisschen langsamer und gemütlicher, dennoch funktioniert alles reibungslos. Ja, das haben wir gerade heute Morgen erlebt!

Dann erzählt sie uns, dass heute Mitsommer ist, was in Norwegen groß gefeiert wird und Ålesund diesbezüglich im Guinessbuch der Rekorde steht. Jedes Jahr errichtet die Jugend der Stadt einen riesigen Turm aus Holz, ohne Hilfsmittel allein mit Muskelkraft, auf einer vorgelagerten Halbinsel, damit er von überall bewundert werden kann. Den sollen wir uns nicht entgehen lassen. Ja, und wo kann man parken, wenn der Womo-Stellplatz voll ist, was wie wir dem Reiseführer entnehmen oft der Fall ist? Sie fragt beim norwegischen Ehemann nach, natürlich in fließendem Norwegisch, wie kann man das nur so schnell lernen? Antwort: Also auf dem Parkplatz beim Aquarium kann man gratis stehen, aber auch bei jeder Schule am Wochenende, oder bei Sportplätzen und Friedhöfen, daran würde sich kein Norweger stören, denn sie fahren alle gerne mit ihren Wohnmobilen und Wohnwägen herum. Ja, das hatten wir schon bemerkt. Wir bedanken uns für das nette Gespräch und setzen unsere Fahrt fort.

Um 17:00 erreichen wir den Stellplatz in Ålesund. Aber der ist knackevoll. Und was entdecken wir da – vor unseren Augen fährt ein Wohnmobil von seinem Platz, direkt am Kai. Na nichts wie hin, eingeparkt und erleichtert geseufzt. Heute ist wirklich ein guter Tag!

Egbert wirft die Lachssteaks in die Pfanne, während es schüttet. Naja, eigentlich wollten wir uns doch das Guinessfeuer ansehen, aber bei dem Wetter! Um 22:30 beruhigt sich die Wetterlage und wir machen uns auf den Weg. Vom Hafen aus können wir auf der gegenüberliegenden Seite den brennenden Feuerturm bewundern, über dem ständig ein Hubschrauber kreist. Hinter uns sitzen die Norweger in ihren Autos mit freier Sicht, falls sie nicht von Touristen – wie uns – verstellt ist, trinken heißen Tee und sehen zu.

Midsommer in Ålesund :

Um 24:00 sind wir wieder zu Hause, durchfroren aber glücklich, denn heute war ein wirklich besonderer wunderbarer Tag.

Ach ja, noch etwas Gutes: Weil Midsommer ist, stehen wir auf dem Stellplatz bis Montag um 8:00 gratis!

Ein Gedanke zu „21. Ein guter Tag!

  1. Midsommar wird nicht nur in Norwegen groß gefeiert – da steht auch ganz Schweden jedes Jahr Kopf! DAS vermisse ich am meisten – die hellen Abende und die Nächte, in denen wir nach der Uhr schlafen gegangen sind, bevor es über dem Skurutorg gegen 1.30 bereits wieder gedämmert hat! derzeit ist bei uns auch Sch…. wetter – eh klar, wenn man für abends ein Grillfest mit unserem neuen Griller angesetzt hat 🙁 aber dafür soll ab morgen wieder eine neue Hitzewelle anrollen – könnten wir zwei nicht unsere Wetter ein bisserl mixen??? wünsche euch weiterhin gute Fahrt in dieser tollen Landschaft – ihr macht direkt Lust darauf!

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